Unter Autoimmunerkrankungen versteht man verschiedene Krankheiten, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Dazu zählen beispielsweise Typ-1-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis und Multiple Sklerose. Antikörper zerstören dabei gesunde, körpereigene Zellen. Je nachdem, welches Organ betroffen ist, können ganz verschiedene Symptome und Verläufe auftreten. Eine Autoimmunerkrankung ist ein chronisch-entzündlicher Prozess, der sich in den meisten Fällen nur symptomatisch und nicht ursächlich behandeln lässt.
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.
Für den Körper ist es essenziell, von außen eindringende Krankheitserreger zu erkennen und abzuwehren. Das ist Aufgabe des Immunsystems. Dabei kann es jedoch zu Fehlern kommen. Zum Beispiel, wenn der Körper eigene Zellen als fremd identifiziert und bekämpft.
Normalerweise ist der Körper in der Lage, körpereigene Oberflächeneiweiße von körperfremden Antigenen zu unterscheiden. Es toleriert körpereigene Zellen und bekämpft körperfremde. Diese Fähigkeit nennt sich Immuntoleranz. Doch manchmal kommt es zu einer Fehlfunktion des Immunsystems und der Körper bildet fälschlicherweise Antikörper gegen eigene, gesunde Zellen. Dies führt zu einer chronischen Entzündung. Anders als bei einer Infektion nicht aufgrund von Krankheitserregern, sondern aufgrund der fehlgesteuerten Immunreaktion.
Betroffen sein können im Prinzip alle Bereiche des Körpers. Manchmal richten sich die fehlgesteuerten Immunzellen gegen ein bestimmtes Organ. Das ist zum Beispiel bei Hashimoto-Thyreoiditis der Fall. Bei Diabetes Typ 1 dagegen zerstören sie dagegen einzelne Zellen, nämlich die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse.
Es kann aber auch sein, dass die Immunzellen fälschlicherweise Gewebe zerstören, das an ganz verschiedenen Stellen im Körper vorkommt. Das ist zum Beispiel beim Systemischen Lupus erythematodes der Fall, der alle Organe befallen kann. Häufig verlaufen Autoimmunerkrankungen in Schüben.
Was zählt zu den Autoimmunerkrankungen?
Es sind zwischen 80 und 100 verschiedene Autoimmunerkrankungen bekannt. Weltweit sind etwa fünf bis acht Prozent der Menschen betroffen, darunter überwiegend Frauen. Wer bereits an einer Autoimmunerkrankung leidet, hat ein erhöhtes Risiko, weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln. Nur selten sind bereits Kinder betroffen. Meist entwickelt sich eine Autoimmunerkrankung spontan im Laufe des Lebens.
Zu den Autoimmunerkrankungen zählen beispielsweise:
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Welche Ursachen Autoimmunerkrankungen auslösen, ist unbekannt. Man nimmt an, dass es eine erbliche Veranlagung zur Entwicklung einer Autoimmunerkrankung gibt, weil sie in manchen Familien gehäuft auftreten. Es erkrankt allerdings längst nicht jedes Familienmitglied, sodass eine direkte Vererbung als alleinige Ursache unwahrscheinlich ist. Vielmehr bedarf es offenbar weiterer Faktoren von außen.
Solche Faktoren können sein:
- Infektionen mit Viren oder Bakterien
- Bestimmte Medikamente
- Stress
- Umweltgifte
Vermutlich kommen viele verschiedene Auslöser zusammen. Auch eine Schwangerschaft kann die Entstehung von Autoimmunerkrankungen begünstigen. Weitere Gründe, warum Frauen häufig betroffen sind als Männer, sind noch nicht endgültig geklärt. Dass es Unterschiede in der Immunreaktion gibt, ist jedoch bekannt. Frauen entwickeln schneller mehr Antikörper als Männer, was auf die weiblichen Geschlechtshormone zurückzuführen sein könnte.
Grund für eine Autoimmunerkrankung ist nicht ein schwaches, sondern vielmehr ein überschießendes Immunsystem.
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Da Autoimmunerkrankungen fast jeden Bereich des Körpers befallen können, sind die Symptome je nach Erkrankung sehr unterschiedlich.
- die Haut betreffen,
- Funktionsstörungen der Organe zur Folge haben,
- Gelenk- und Muskelschmerzen verursachen,
- trockene Augen oder
- Juckreiz hervorrufen.
Bei Morbus Addison ist beispielsweise die Nebennierenrinde betroffen, bei Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Zöliakie der Darm, beim Sjögren-Syndrom unter anderem die Augen.
Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse
Die häufigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow. Während bei der Hashimoto-Thyreoiditis Schilddrüsengewebe zerstört wird, wird es bei Morbus Basedow dazu angeregt, sich zu vermehren.
Die Autoimmunthyreoiditis hat dementsprechend eine Unterfunktion der Schilddrüse zur Folge mit den typischen Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme und Erschöpfung. Morbus Basedow führt dagegen zu einer Überproduktion von Schilddrüsenhormonen mit Symptomen wie Unruhe, Herzrhythmusstörungen und Gewichtsabnahme.
Die Haut ist gleich Ziel mehrerer Autoimmunerkrankungen. Dazu gehören unter anderem die Weißfleckenkrankheit (Vitiligo), Lupus erythematodes und Schuppenflechte (Psoriasis).
Bei der entzündlichen Pigmentstörung Vitiligo sterben Pigmente in der Haut ab und es entstehen weiße Flecken. Lupus erythematodes (Schmetterlingsflechte) macht sich meist durch einen schmetterlingsförmigen, roten Ausschlag im Gesicht bemerkbar. Psioriasis (Schuppenflechte) ist durch scharf abgegrenzte rote Flecken gekennzeichnet, auf denen silberne Schuppen zu sehen sind. Sie ruft starken Juckreiz hervor.
Autoimmunerkrankung: Neurodermitis
Nicht abschließend geklärt ist, ob Neurodermitis zu den Autoimmunerkrankungen zählt. Überaktive Immunzellen sind jedenfalls ein Erklärungsansatz von vielen. In Studien konnten Risikogene identifiziert werden, die auch mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht werden.
Die Symptome sind häufig vielfältig, diffus und nicht zu jeder Zeit gleich stark ausgeprägt. Daher ist es wichtig, andere Ursachen auszuschließen. Bei vielen Autoimmunerkrankungen sind bestimmte Autoantikörper im Blut nachweisbar. Ein wichtiges Mittel, um Autoimmunerkrankungen festzustellen ist es deshalb, die entsprechenden Antikörper zu identifizieren, die für die entzündlichen Prozesse verantwortlich sind.
Jedoch erfolgt eine Diagnose niemals allein aufgrund dieser Laborwerte. Denn auch bei gesunden Menschen können erhöhte Autoantikörperwerte vorkommen und nicht bei allen Erkrankten und Erkrankungen lassen sich Autoantikörper nachweisen. Gemeinsam mit den jeweiligen Symptomen ergibt sich jedoch häufig ein typisches Bild. Auch die Darstellung der Organe mittels Ultraschall, CT oder MRT können zur Diagnose beitragen. Manchmal ist auch eine Gewebe-Biopsie nötig.
Autoimmunerkrankung: Prognose und Lebenserwartung
Verlauf und Lebenserwartung sind je nach Autoimmunerkrankung sehr verschieden. Meist entwickeln sich Autoimmunerkrankungen nach und nach in unvorhersehbaren Schüben.
Die meisten Erkrankungen können zwar nicht geheilt, jedoch so behandelt werden, dass ein normales Leben möglich und die Lebenserwartung nicht eingeschränkt ist. Einige Autoimmunerkrankungen können unbehandelt jedoch tödlich enden. Dazu gehören beispielsweise die Vaskulitis, bei der sich die Gefäßwände entzünden, und der Systemische Lupus erythematodes. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Autoimmunerkrankungen rechtzeitig erkannt und behandelt werden.
Hinzu kommt, dass zerstörtes Gewebe in vielen Fällen nicht wiederhergestellt werden kann. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis beispielsweise kann sich einmal zerstörtes Schilddrüsengewebe nicht regenerieren.
Es kommt jedoch auch vor, dass eine Autoimmunerkrankung spontan ausheilt. Zudem wird in dem Bereich der Autoimmunerkrankungen intensiv geforscht, zum Beispiel an Therapien auf mRNA-Basis.
Multiple Sklerose: 13 wesentliche Ursachen und Risikofaktoren
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Eine Autoimmunerkrankung stellt nicht zwingend einen Risikofaktor für eine Covid-19-Infektion dar. Als Risikopatient*innen gelten allerdings Menschen, deren Immunsystem aufgrund einer Autoimmunerkrankung mittels Immunsuppressiva unterdrückt wird. Ihr Körper kann sich wegen des unterdrückten Immunsystems weniger gut gegen das Virus wehren.
Auch, wessen Lunge oder Herz aufgrund einer Autoimmunerkrankung schwer geschädigt ist, kann ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben. Ärzt*innen weisen darauf hin, dass immunsupprimierte Patient*innen dennoch keinesfalls eigenmächtig Medikamente absetzen sollten.
Autoimmunität scheint auch Covid-19 eine Rolle zu spielen. Einige Komplikationen der Infektion scheinen auf ein überschießendes Immunsystem zurückzuführen zu sein. Forschungsergebnisse legen nahe, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 den Körper veranlassen könnte, Autoantikörper gegen das eigene Gewebe zu bilden. Das bedeutet dennoch nicht, dass jemand mit einer Autoimmunerkrankung generell ein erhöhtes Risiko hat, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleben.
Übrigens: Das Robert-Koch-Institut empfiehlt auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.
Letzte Aktualisierung: 31.08.2021
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Quellen
- Dingermann, T.: CAR-T-Zell-Therapie hilft bei schwerem Lupus erythematodes. Online-Informationen der Pharmazeutischen Zeitung: www.pharmazeutische-zeitung.de (Stand: 11.8.2021)
- Khamsi, R.: Führen Autoimmunerkrankungen zu schweren Covid-19-Fällen? Online-Informationen von Spektrum: www.spektrum.de (Stand: 19.2.2021)
- Autoimmunerkrankungen. Online-Informationen von Deximed: www.deximed.de (Stand: 10.9.2019)
- Autoimmunkrankheit. Online-Informationen des Pschyrembel: www.pschyrembel.de (Stand: April 2016)
Author: Natasha Smith
Last Updated: 1703618762
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